Es liebt' in Welschland irgendwo Ein schöner junger Ritter Ein Mädchen, das der Welt entfloh, Troz Klosterthor und Gitter; Sprach viel von seiner Liebespein, Und schwur, auf seinen Knien, Sie aus dem Kerker zu [befreyn]1, Und stets für sie zu glühen. "Bey diesem Muttergottesbild, Bey diesem Jesuskinde, Das ihre Mutterarme füllt, Schwör' ich's dir, o Belinde! Dir ist mein ganzes Herz geweiht, So lang ich Odem habe, Bey meiner Seelen Seligkeit! Dich lieb' ich bis zum Grabe." Was glaubt ein armes Mädchen nicht, Zumal in einer Zelle? Ach! sie vergaß der Nonnenpflicht, Des Himmels und der Hölle. Die, von [den Engeln]2 angeschaut, Sich ihrem Jesu weihte, Die reine schöne Gottesbraut, Ward eines Frevlers Beute. Drauf wurde, wie die Männer sind, Sein Herz von Stund' an lauer, Er überließ das arme Kind Auf ewig ihrer Trauer, Vergaß der alten Zärtlichkeit Und aller seiner Eide, Und flog, im bunten Gallakleid, Nach neuer Augenweide. Begann mit andern Weibern Reihn, Im kerzenhellen Sale, Gab andern Weibern Schmeicheleyn, Beym lauten Traubenmahle. Und rühmte sich des Minneglücks Bey seiner schönen Nonne, Und jedes Kußes, jedes Blicks Und jeder andern Wonne. Die Nonne, voll von welscher Wuth, Entglüht' in ihrem Muthe, Und sann auf nichts als Dolch und Blut, Und [schwamm in lauter]3 Blute. Sie dingte plözlich eine Schaar Von wilden Meuchelmördern, Den Mann, der treulos worden war, Ins Todtenreich zu fördern. Die bohren manches Mörderschwert In seine schwarze Seele. Sein schwarzer, falscher Geist entfährt, Wie Schwefeldampf der Höhle; Er wimmert durch die Luft, wo sein Ein Krallenteufel harret. Drauf ward sein blutendes Gebein In eine Gruft [verscharret]4. Die Nonne flog, wie Nacht begann, Zur kleinen Dorfcapelle, Und riß den wunden Rittersmann Aus seiner Ruhestelle, Riß ihm das Bubenherz heraus, [Recht ihren Zorn zu büßen, Und trat es, daß das Gotteshaus Erschallte, mit den Füßen.]5 Ihr Geist soll, wie die Sagen gehn, In dieser Kirche weilen, Und, bis im Dorf die [Hahnen]6 krähn, Bald wimmern und bald heulen. Sobald der [Seiger]7 zwölfe schlägt, Rauscht sie, an Grabsteinwänden, Aus einer Gruft empor, und trägt Ein blutend Herz in Händen. Die tiefen hohlen Augen sprühn Ein düsterrothes Feuer, Und glühn, wie Schwefelflammen glühn, Durch ihren weißen Schleyer. Sie gafft auf das zerrißne Herz, Mit wilder Rachgeberde, Und hebt es dreymal himmelwärts, Und wirft es auf die Erde. Und rollt die Augen voller Wuth, Die eine Hölle blicken, Und schüttelt aus dem Schleyer Blut, Und stampft das Herz in Stücken. Ein [dunkler]8 Todtenflimmer macht Indeß die Fenster helle. Der Wächter, der das Dorf bewacht, Sah's [oft in der Kapelle]9.
Confirmed with Ludwig Christoph Heinrich Hölty's Sämtliche Werke kritisch und chronologisch herausgegeben von Wilhelm Michael, Erster Band, Weimar, Gesellschaft der Bibliophilen, 1914, pages 134-137; with Gedichte von Ludwig Heinrich Christoph Hölty, mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Karl Halm, Leipzig: F.A. Brockhaus, 1870, pages 22-24; with Gedichte von Ludewig Heinrich Christoph Hölty. Besorgt durch seine Freunde Friederich Leopold Grafen zu Stolberg und Johann Heinrich Voß. Hamburg, bei Carl Ernst Bohn. 1783, pages 60-64; and with Poetische Blumenlese Auf das Jahr 1775. Göttingen und Gotha bey Johann Christian Dieterich, pages 186-190.
1 Schubert: "befreien"2 Schubert (Neue Gesamtausgabe): "dem Engel"
3 Voß' editions, and Schubert: "träumte nur von"
4 Schubert: "verscharrt"
5 Voß' editions since 1804, and Schubert:
Und warf's, den Zorn zu büßen, Daß dumpf erscholl das Gotteshaus, Und trat es mit den Füßen.6 Schubert (Alte Gesamtausgabe): "Hähne"
7 Schubert: "Hammer"
8 Schubert (Alte Gesamtausgabe): "bleicher"
9 Michael's edition 1914: "in der Landcapelle"
Text Authorship:
- by Ludwig Heinrich Christoph Hölty (1748 - 1776), "Die Nonne", written 1773, first published 1775 [author's text checked 2 times against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Franz Peter Schubert (1797 - 1828), "Die Nonne", D 208 (1815), published 1895 [sung text checked 1 time]
- by Franz Peter Schubert (1797 - 1828), "Die Nonne", D 212, note: D. 212 has been removed and included as the second version in D. 208. [sung text checked 1 time]
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , "La monja", copyright © 2018, (re)printed on this website with kind permission
- DUT Dutch (Nederlands) [singable] (Lau Kanen) , "De non", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Sharon Krebs) , "The nun", copyright © 2020, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "La nonne", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
Research team for this page: Richard Morris , Sharon Krebs [Guest Editor] , Peter Rastl [Guest Editor]
This text was added to the website between May 1995 and September 2003.
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