by Richard Fedor Leopold Dehmel (1863 - 1920)
Notturno
Language: German (Deutsch)
So müd hin schwand es in die Nacht, sein flehendes Lied, sein Bogenstrich, und seufzend bin ich aufgewacht. Wie hat er mich so klargemacht, so sanft und klar, der Traum -- und war doch bis ins Trübste feierlich. Hoch hing der Mond; das Schneegefild lag bleich und öde um uns her, wie meine Seele grauenschwer, Denn neben mir, so starr und wild, so starr und kalt wie meine Not, von mir gerufen voll Begehr Saß starr und wartete der Tod. Da kam es her wie einst so mild, so müd' und sacht aus ferner Nacht, so kummerschwer kam einer Geige Hauch daher, kam dämmernd her des Freundes Bild. Der mich umflochten wie ein Band, daß meine Jugend nicht zerfiel, und daß mein Herz die Sehnsucht fand, die große Sehnsucht ohne Ziel: da stand er nun im öden Land ein Schatten trüb und feierlich und sah nicht auf noch grüßte mich, Nur seine Töne ließ er irr'n und weinen durch die kalte Flur; und mir entgegen starrte nur aus seiner Stirn, als wär's ein Auge hohl und fahl, der tiefen Wunde dunkles Mal. Und trüber quoll das trübe Lied und quoll so heiß, und wuchs, und schwoll, so heiß und voll wie Leben, das nach Liebe glüht, wie Liebe, die nach Leben schreit, nach ungenossner Seligkeit, so wehevoll, so wühlend quoll das strömende Lied und flutete; und leise, leise blutete und strömte mit in's öde Schneefeld rot und fahl der tiefen Wunde dunkles Mal. Und müder glitt die müde Hand, und vor mir stand ein bleicher Tag, ein ferner, bleicher Jugendtag, Da starr im Sand er selber ein Zerfallner lag, da seine Sehnsucht sich vergaß, in ihrer Schwermut Übermaß und ihrer Traurigkeiten müd zum Ziele schritt; und laut aufschrie das weinende Lied, wie Todesschrei, und flutete, und seiner Saiten Klage schnitt, und seine Stirne blutete und weinte mit in meine starre Seelennot, als sollt' ich hören ein Gebot, als müßt ich jubeln, daß ich litt, als möcht er fühlen, was ich litt mitfühlen alles Leidens Schuld und alles Lebens warme Huld -- und weinend, blutend wandt' er sich ins bleiche Dunkel und verblich. Und bebend hört' ich mir entgehn, entfliehn sein Lied. Und wie es zart und zarter ward, der langen Töne fernes Flehn, da fühlt' ich kalt ein Rauschen wehn Und grauenschwer die Luft sich rühren um mich her, und wollte bebend nun ihn sehn, ihn lauschen sehn, der wartend saß bei meiner Not, und wandte mich -- : da lag es kahl, das bleiche Feld, und fern und fahl entwich ins Dunkel auch der Tod. Hoch hing der Mond, und mild und müd hin schwand es in die leere Nacht, das flehende Lied, und schwand und schied, des toten Freundes flehendes Lied; und dankbar bin ich aufgewacht.
Note: the poem first appeared in Erlösungen; eine Seelenwandlung in Gedichte und Sprüche (Stuttgart: G.J. Göschen), 1891, under the title "Erscheinung"; Strauss made many changes to the text for his 1899 setting titled "Notturno",
, some of which changes were incorporated in a 1905 version of the poem titled "Notturno". The poem was revised again in 1909 (that is the version shown here).
Researcher for this page: Pierre Mathé [Guest Editor]
Text Authorship:
- by Richard Fedor Leopold Dehmel (1863 - 1920), "Notturno" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Artur Schnabel (1882 - 1951), "Notturno", 1914. [medium voice and piano] [ sung text not verified ]
Another version of this text exists in the database.
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Sharon Krebs) , "Notturno", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Notturno", copyright © 2010, (re)printed on this website with kind permission
Researcher for this page: Pierre Mathé [Guest Editor]
This text was added to the website between May 1995 and September 2003.
Line count: 87
Word count: 454