"Hinauf! hinauf! In Sprung und Lauf! Wo die Luft so leicht, wo die Sonne so klar, Nur die Gemse springt, nur horstet der Aar; Wo das Menschengewühl zu Füßen mir rollt, Wo das Donnergebrüll tief unten grollt: [Das]1 ist der Ort, wo die Majestät Sich herrlich den Herrscherthron erhöht! Die steile Bahn Hinan! hinan! Dort pfeifet die Gemse! Ha springe nur vor; Nachsetzt der Jäger, und fliegt empor! "Gähnt auch die Kluft Schwarz wie die Gruft; Nur hinüber, hinüber im leichten Schwung! Wer [setzet]2 mir nach? ['S war]3 ein Kaiser-Sprung! Klimm Gemse nur auf die Felsenwand! In die luftige Höh, an des Abgrunds Rand, Mach ich mit Eisen mir doch die Bahn. Nur muthig hinauf, und muthig hinan! Jetzt ohne Rast Den Strauch [erfaßt]4! Wenn tückisch der Zweig vom Gesteine läßt, So hält mich im [Fall]5 die Klippe noch fest." Der Stein nicht hält, Der Kaiser fällt In die Tiefen hinab zwey Klafter lang; Da ward [Herrn Maxen doch gleichsam]6 bang. Ein Felsen hervor ein wenig ragt, Das [nennet]7 er Glück - Gott sey's geklagt! Einbrachen die [Kniee]8, doch blieb er steh'n, Und taumelt sich aus; da mußt er nun seh'n: Hier [half]9 kein Sprung Kein Adlerschwung; Denn unter ihm senkt sich die Martinswand: Der [steileste]10 Felsen im ganzen Land. Er starrt hinab In's Wolkengrab, [Und]11 starrt hinauf in's Wolkenmeer, Und [schaut]12 zurück und [schaut]12 umher. Da zeigt sich kein Fleck zum Sprung handbreit, Kein Strauch, der den Zweig dem [Klimmer]13 beut, Aus hartem Felsen wölbt sich ein Loch Schroff hinter ihm, wie ein Dom so hoch! Der Kaiser ruft In taube Luft: "Ey doch wie hat mich die Gemse verführt! Kein Weg zu den Lebenden niederführt." [Er war's gewillt, Es ist erfüllt!]14 Wo die Luft so leicht, wo die Sonne so klar, Wo die Gemse nur springt, nur horstet der Aar, Wo das Menschengewühl zu Füßen ihm rollt; Wo das Donnergebrüll tief unten grollt; Da steht des Kaisers Majestät, [Doch nicht zur Wonne hoch]15 erhöht. Ein Jammersohn Auf [luft'gem]16 Thron, [Findet sich Max nun]17 plötzlich allein, Und [fühlt]18 sich [schaudernd]19, verlassen und klein. Im Thalesgrund Ein Hirte stund, Und sieht auf der Platte sich's regen, Und bücken und heben und schreitend bewegen. "Den bannt wohl hinauf des Satans Gewalt? Das ist bey Gott eine Menschengestalt!" So ruft er, und [winkt]20 die Hirten herbey, [Daß Jeder ihm staunend das Wunder zeih!]21 "Gott sey mit ihm!" [Ist's]22 eine Stimm': "Der stehet dort oben in großer Noth, Muß arg wohl erleiden den Hungertod." Auf leichtem Roß Ein Jägertroß Kommt nun das Thal hereingesprengt, Wo sich die Menge schon gaffend drängt, Und rufet den nächsten Hirten an: "Nahm wohl der Kaiser anher die Bahn? Hoch auf den Alpen klomm er empor, Daß ihn des Jägers Blick verlor." Der Hirte blickt Auf die Wand, erschrickt, Hindeutend sagt er zum Jägerschwarm: "Dann schaut ihn dort oben! daß Gott erbarm!" Der Jäger blickt Auf die Wand, erschrickt, Und hebet nun schnell sein Sprecherrohr, Und [ruft]23, was Menschenbrust mag, empor. "Herr Kaiser, seyd ihr's, der steht in der Blend, So werft herab einen Stein behend!" Und vorwärts nun woget das Menschengewühl, Und plötzlich [ward es nun]24 todtenstill. [Da]25 fällt der Stein, Senkrecht hinein, Wo unter dem Felsen ein Hüter wacht, Daß zerschmettert das Dach zusammenkracht. Des [Volks]26 Geheul', Auf eine Meil Im ganzen Umkreis zu hören, Macht rings das Echo empören. Und zum Kaiser auf dringet der Jammerlaut, Der kaum mehr menschlicher Hülfe vertraut. Er spannet das Aug', er strecket das Ohr: "Was wühlet dort unten? Was rauscht empor?" Er sieht und lauscht; Fort wühlt's und rauscht - So harret er aus, [ohn]27 Murren und Klag, Der edle Herr bis zu Mittag. Doch Sonnenbrand, Die Felsenwand Zurück mit glühenden Strahlen prallt; Da wird unleidlich der Hitze Gewalt. Erschöpft von [der mattenden]28 Gemsenjagd, Von Durst gequält, von dem Hunger geplagt, [Fühlet sich Max ganz]29 matt und schwach; - War's Wunder, daß endlich die Kraft ihm brach? Das wünscht er allein: Gewiß zu seyn; Eh' die Besinnung ihm verfließt, Ob Hülfe bey Menschen noch möglich ist? Bald wußt' er Rath, Und schritt zur That, Und schrieb mit Stiften auf Pergament Die Frag' ans Volk, und wickelt behend Mit goldenem Bande das Täfelein Auf einen [gewicht'gen]30 [Marmorstein]31, Ließ fallen die Last in die Tiefe hinab; - Und horcht - kein Laut, der ihm Antwort gab. Ach Gott und Herr! Man liebt ihn so sehr Drum findet vom Volke sich niemand ein, Dem Herrn ein Bothe des Todes zu seyn. Der Kaiser wie hart Auf Antwort harrt, Und sendet den dritten und vierten Stein, Doch immer wollt' es vergeblich seyn. Bis schon am Himmel die Sonne sich senkt, Und nun erseufzend der Herr sich denkt: "Wär' Hülfe möglich, sie riefen es mir, So harr' ich nun sichrer des [Tod's]32 allhier." Da hob sein Sinn Zu Gott sich hin; Ihm [entflammet]33 das Herz der heilige Geist, Daß er sich schnell von dem Irdischen reißt; Wegstoßt die Welt, Zum [Ew'gen]34 hält! Jetzt [wieder ein Täflein nimmt]35 zur Hand, Beschreibt es eifrig. - Weil fehlte das Band, So band er's am Stein mit dem goldenen Vließ; Was sollt's ihm? Er war ja des Todes gewiß! Und aus dem [erhöheten]36 luftigen Grab Wirft er den Stein in das Leben hinab. Wohl peinlicher Schmerz, Durchwühlet das Herz Jedem, der nun, was der Kaiser begehrt, Weinend vom weinenden Leser hört. Der Leser rief: "So heißt der Brief. Viel Dank Tyrol für deine Lieb, Die treu in jeder Noth mir blieb. Doch Gott versucht ich mit Übermuth, Das soll ich nun büßen durch Leib und Blut. Bey Menschen ist keine Rettung mehr; [Gott's]37 Wille geschehe! Gerecht ist der Herr! Will büßen die Schuld, Mit Muth und Geduld. Mit einem wohl könnt ihr mein Herz erfreu'n, Ich will euch den Dank im Tode noch weih'n. "[Nach Zierlein eilt Nun unverweilt]38 Ein Both' um das heilige Sacrament, Nach dem mir dürstend die Seele brennt. Und wenn der Priester steht am Fluß, So kündet's mir Schützen durch einen Schuß. Und wenn ich den Segen nun soll empfahn, So deut' es ein zweyter mir wieder an. Sehr bitt' ich euch Fleht dann zugleich Mit mir zum Helfer in aller Noth, Daß er mich stärk' in dem Hungertod." Der Bothe fleugt; Der Priester keucht Nun schon herbey, nun steht er am Fluß, Schnell kündet's dem Kaiser [der Schützen]39 Schuß. Der schauet hinab, erblickt die Monstranz, Denn blitzend [erglänzt]40 ihr Demantkranz. Und wirft sich vor ihr auf die Kniee hin, Mit zerknirschtem Herzen, mit gläubigem Sinn. Die Menschheit ringt, Und siegt, und schwingt Auf entfesselten Flügeln empor sich schnell Zu der ewigen Liebe hochheiligem Quell! Und o wie fleht Sein heißes Gebeth! "O Gott, du Vater allmächtig am Himmelsthron, Du Lieb' aus Lieb' entquollener Gottessohn, Und du hochheiliger Gottesgeist, Der beyde vereint, das Heil uns weis't; O Gott, deß [Lieb']41 auf jeder Spur Verkündet laut die weite Natur! O tauchte sich schnell Im Liebesquell Mein liebender Geist, umfaßte die Welt, Die liebend am Herzen dein Arm erhält. "Vor meinem Tod, Dein Himmelsbrot, Wünsch ich Unwürdiger, o wie sehr! O sieh auf mich erbarmend her! O Christus Lieb' tritt bey mir ein, Und führ' mich zurück in der [Gläub'gen]42 Verein, Die deine [Lieb']41 so feurig beseelt, Daß eines sie werden mit Gott und Welt. Und weil ich nicht werth, Was ich begehrt, Ein [einzig]43 Wort aus deinem Mund Macht deinen Knecht auch wieder gesund." So will er im Fleh'n Vor Liebe vergeh'n. Da kündet ein zweyter Schuß ihm an, Daß er den Segen nun soll empfahn. Der Herr sogleich auf Felsengrund, Wirft sich die Stirn' und die Hände wund. Und der Jäger mit lautem Sprecherrohr Sagt ihm des Priesters Worte vor: "Dich [segnet]44 Gott, In deiner Noth, Der Vater, der Sohn, und der Heilige Geist, Den Himmel und Erd' [ohn']27 Ende preißt." Nun allzumahl Im ganzen Thal Das Volk auf den [Knien]45 harrt im Gebeth, Und laut für das Heil des Herren fleht. Den Kaiser rührt's, der Bethenden Schall Bringt ihm zu Ohren der Wiederhall. Auch er bleibt knieen im Gebeth, Und Gott für das Wohl der Völker fleht, Schon flammt der Mond Am Horizont, Und herrlich das grünliche Firmament Von funkelnden Sternenheeren brennt. Des Himmels Pracht [Erweckt]46 mit Macht Die Sehnsucht zum himmlischen Vaterland, Ihm löset sich jedes irdische Band. Wo der Seraphim Harfe Jubel erklingt, Der Seligen Chor das Heilig singt, Wo das Leiden schweigt, die Begierde sich bricht, Zur ewigen Liebe, zum ewigen Licht, Dahin, dahin Schwingt sich sein Sinn, Und mit hoch [empor gehobenen]47 Händen Denkt er entfliehend sein Elend zu enden; Als schlank und fein Ein Bäuerlein, Wie der Blitz ihn blendend, [nun]3 vor ihm stund, Und grüßt ihn mit lieblich ertönendem Mund: "Herr Max, zum Sterben hat's wohl noch Zeit, Doch folget mir schnell. Der Weg ist weit." Der Kaiser entsetzt sich ob dem Gesicht, Und trauet den Augen und Ohren nicht. Und wie er schaut, Ihm heimlich graut; Denn es wall't [um den]48 Knaben gar sonderlich Ein dämmernder Schein, der nichts Irdischem glich. Doch der Kaiser in Hast Sich wieder faßt, Und fragt das Knäblein: "Wer bist du? - Sprich!" "Ein Bothe, gesandt um zu retten dich." "Wer zeigte dir an zur Klippe den Weg?" "Wohl kenn' ich den Berg und jeglichen Steg." "So hat dich der Himmel zu mir geschickt?" "Wohl hat er dein reuiges Herz erblickt." Drauf es sich dreht, Zur Höhlung geht, Und gleitet nun leicht durch den Riß in die Wand, Den vorher sein forschendes Auge nicht fand. Durch den Riß gebückt, Der Kaiser sich drückt; Sieh da hüpfet das Knäblein leuchtend voran, Durch steile Schluchten tief ab die Bahn. Wo funkelnd das Erz an den Wänden glimmt In der Tiefe der Schwaden aufblitzend schwimmt, Am Gewölb ertönt der Schritte Hall, Fern donnert des Bergstroms brausender Fall, Tiefer noch ab, Meilen hinab: Da gleitet das Knäblein in eine Schlucht, Die Fackel erlosch. - Mit den Händen bange nun sucht Max sich den Weg hinvor, Und dringt empor; Und schaut aufathmend der Sterne Licht, Und sucht den Knaben - und findet ihn nicht. Da faßt ihn ein Schauer. Nicht hat er geirrt. Wohl war es ein Engel, der ihn geführt. Und schon erkennt er Zierleins Thal, Hört brausen der Menge verworrenen Schall. Mit bebendem Tritt Er weiter schritt, Wie oft, ermattet, er weilen muß, Bis er naht dem weit erglänzenden Fluß. Noch stand er weit, Doch hocherfreut Schaut er den Priester bey Fackelglanz Stehn, unermüdlich [mit]49 der Monstranz. Und noch die [treuen]50 Gemeinden knien, Und heiß im Gebethe für ihn glüh'n. Sein Auge ward naß, sein Herz hoch schwoll, - ['S]51 war ja von tausend Gefühlen voll. Schnell tritt er [vor]52, Ruft laut empor: „Lobet den Herrn und seine Macht! Seht mich hat sein Engel zurück gebracht."
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View original text (without footnotes)Confirmed with Gedichte von H. J. v. Collin. Wien, 1812. Gedruckt und im Verlage bey Anton Strauß, pages 186-199; with Heinrich J. v. Collin's sämmtliche Werke. Vierter Band. Epische und lyrische Gedichte. Wien, 1813. Gedruckt und im Verlage bey Anton Strauß, pages 80-93; and with Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst. Erster Jahrgang, 1810. Wien, gedruckt und im Verlage bey Anton Strauß. Montag den 8. und Mittwoch den 10. Januar 1810. Nr. 4 und 5, pages 19-21.
Note: Only Schubert's autograph of the piano accompaniment has been preserved, the vocal part (on a separate sheet) is lost. It had to be reconstructed from Ferdinand Schubert's adaption for vocal duet. Presumably, the numerous small textual modifications originate from him.
1 Schubert: "Da"2 Schubert: "setzt"
3 omitted by Schubert
4 Schubert: "gefaßt"
5 Schubert: "Falle"
6 Schubert: "dem Kühnen doch etwas"
7 Schubert: "nennt"
8 Schubert: "Knie"
9 Schubert: "helfe"
10 Schubert: "steilste"
11 Schubert: "Er"
12 Schubert: "schauet"
13 Schubert: "Klimmenden"
14 Schubert: "So ist es geschehn, / Es mußte so gehn."
15 Schubert: "So hoch, doch nicht zur Wonne"
16 Schubert: "luftigem"
17 Schubert: "Es findet der Hohe sich"
18 Schubert: "fühlet"
19 Schubert: "schauernd"
20 Schubert: "winket"
21 Schubert: "Und jeder staunt, welch Wunder es sei."
22 Schubert: "Ist"
23 Schubert: "rufet"
24 Schubert: "war es"
25 Schubert: "So"
26 Schubert: "Volkes"
27 Schubert: "ohne"
28 Schubert: "ermüdender"
29 Schubert: "Fühlt sich der Kaiser"
30 Schubert: "gewichtigen"
31 Collin (1810 print): "Granitstein"
32 Schubert: "Todes"
33 Schubert: "entflammt"
34 Schubert: "Ewigen"
35 Schubert: "nimmt er ein Täflein wieder"
36 Schubert: "erhöhten"
37 Schubert: "Gottes"
38 Schubert: "Daß unverweilt / Nach Zierlein eilt"
39 Schubert: "an ein"
40 Schubert: "erglänzet"
41 Schubert: "Liebe"
42 Schubert: "Frommen"
43 Schubert: "einziges"
44 Schubert: "segne"
45 Schubert: "Knieen"
46 Schubert: "Erwecket"
47 Schubert: "emporgehobenen"
48 Schubert: "an dem"
49 Schubert: "bei"
50 Schubert: "getreuen"
51 Schubert: "Es"
52 Schubert: "hervor"
Text Authorship:
- by Heinrich Joseph, Edler von Collin (1771 - 1811), "Kaiser Max, auf der Martinswand in Tyrol", subtitle: "1493", written 1809, first published 1810 [author's text checked 2 times against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Franz Peter Schubert (1797 - 1828), "Kaiser Maximilian auf der Martinswand in Tyrol, 1490", D 990A (1818?) [sung text checked 1 time]
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , copyright © 2019, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Malcolm Wren) , copyright © 2021, (re)printed on this website with kind permission
Research team for this page: Sharon Krebs [Guest Editor] , Peter Rastl [Guest Editor]
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