by Johann Nepomuk Vogl (1802 - 1866)
Die Schwanenjungfrau
Language: German (Deutsch)
Ging Herr Walter hin im Freien: "Horch, welch Rauschen, horch welch Schreien in der heitern Morgenluft?" Schwäne kommen hergezogen, senken sich in weiten Bogen in den tiefen blauen See. Und zum Strande eilt der Ritter, lauscht durchs grüne Rohrgegitter in den stillen blauen See. Doch da sind es keine Schwäne, nein, in zauberhafter Schöne baden Mägdlein weiß wie Schnee. An dem Strand die Fitt'ge liegen, während sich die Wellen schmiegen brünstig an der Mägdlein Leib. Und der Ritter, list'ger Weise, schleicht sich hin und haschet leise sich ein solches Flügelpaar. Seht, die Schönen tauchen wieder aus dem See die weißen Glieder, rasch, rasch von Fittigen umweht. Und als Schwäne ziehn in Reihen unter Rauschen, unter Schreien lustig sie vom blauen See. Eine nur, die läuft behende noch am Strand und ringt die Hände, suchend nach dem Flügelpaar. Und der Ritternaht der Schönen: "Laß die Fitt'ge, laß die Tränen, folg' mir in mein nahes Schloß! Laß die Schwäne rauschen, fliegen, will in meinem Arm dich wiegen, küssen dir den roten Mund! Will statt der verlornen Schwingen dir ein goldnes Reifchen bringen, und dich nennen meine Braut." Und ins Aug' dem Jüngling blicket sie und folgt, von Lieb berücket, willig ihm ins stolze Schloß. Und er bringet, statt der Schwingen, ihr das Reiflein, und es klingen Horn und Flöt' zum Hochzeitsfest. Sieben Jahre sind entschwunden, heiter fast wie seiben Stunden, dem beglückten jungen Paar. Zieht Herr Walter da zum Jagen in des Herbstes rauhern Tagen: "Bald, mein Weibchen, kehr ich heim!" Da in Schränke, nie gesehen, locket Neugier sie, zu spähen, was doch da verborgen sei? Und sie sieht, o Freude, wieder ihre Schwingen, ihr Gefieder, das am Strand ihr ward geraubt. "Meine Flügel! beide, beide!" Jubelnd schlüpfet sie vor Freude in das flatternde Gewand, schwingt sich schnell dann in die Lüfte, über Wälder, Berge, Klüfte zieht sie wieder als ein Schwan. Und der Ritter sah entfliehen noch den Schwan im Heimwärtsziehen, aber nie die Schöne mehr.
Text Authorship:
- by Johann Nepomuk Vogl (1802 - 1866) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Carl Loewe (1796 - 1869), "Die Schwanenjungfrau", op. 129 no. 3 (1859), published 1860-1 [sung text checked 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
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