by Richard von Kralik (1852 - 1934)
Das Grabmal
Language: German (Deutsch)
Heil'ger Stefansdom, du ragest über Wien hinauf und sagest den vier Gegenden der Welt, dass sich dir in allen Reichen nichts vollwürdig mag vergleichen, was sich dir zur Seite stellt. So wie du zum Trotz dem Sturme aufragst mit dem Riesenturme, den die Schwalben treu umzieh'n, also gibt es auch nur eine Stadt, die ich in Liebe meine, eines Kaiserstadt, ein Wien. Heil'ger Stefansdom, ein Schauern weht um deine alten Mauern aus uralter, fremder Zeit, wo noch dunkle Heidenhaine dich umgaben, eh' der reine Gottesdienst dich hat geweiht. Dieses ist geweihter Boden! Wo die Heiden einst vor Woden flehten, herrschet nun der Christ. Und wo Jupiter einst thronte, als der Römer Macht hier wohnte, webt, der ewig war und ist. Frau Krimhild mit edlen Sitten ist einst hier vorbeigeritten als des Hunnenkönigs Braut; und mit Severinus Segen hat von hier aus deutscher Degen Romas Kaiserthron zerhaut. Großer Karl, nach Hunnensiegen bist du hier vom Ross gestiegen und hast den Altar gesetzt. Deinen Szepter, deine Krone wahret, bis du einst zum Throne wiederkehrst, die Stadt noch jetzt. Babenbergs und Habsburgs Recken leben hier in Stein und strecken schützend ihre Arme aus. Alle Vaterlandes Engel senken ihre Lilienstengel über dieses Gotteshaus. Riesentor, schlag' auf die Flügel! Öffne, Totengruft, den Riegel! zeige nun, was sonst geheim! Heil'ger Stefansdom, des besten, treu'sten Österreichers Resten sei du nun das letzte Heim. Bürgermeister und Senator riefen oft dem Triumphator hier am Tore jubelnd zu. Das Te Deum seiner Siege rauschte zu dem Herrn der Kriege am Altare ohne Ruh'. Wieder tönen die Posaunen, dass den holzgeschnitzten Faunen bange wird. Wem gilt es? Wem? Ja, ihm gilt's. Doch kein Te Deum ist es; übers Mausoleum singen sie ein Requiem. Fama kommt zum Mal gegangen und gräbt ein mit stolzem Prangen seines Totenjahres Zahl: „Siebzehnhundertsechsunddreißig starb Eugen. Doch ihm verheiß' ich Ewigkeit in meinem Saal.”
Text Authorship:
- by Richard von Kralik (1852 - 1934) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Mathilde von Kralik (1857 - 1944), "Das Grabmal", published [1895] [ voice and piano ], from Prinz Eugenius, 27 Balladen, Wien ; Leipzig : Albert Gutmann [sung text checked 1 time]
Researcher for this page: Johann Winkler
This text was added to the website: 2020-07-14
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