by Gottfried Keller (1819 - 1890)
Am Meer
Language: German (Deutsch)
Der Himmel hängt wie Blei so schwer Dicht auf dem wildempörten Meer; Ein englisch Segel, fast die Quer, Schießt wie ein Pfeil darüber her. Ein Messer, so das Meer sich schliff, Da starrt ein starkes Felsenriff Und schlitzt das Engelländerschiff; Das Meer thut einen guten Griff. Viel tausend Bibeln sind die Fracht, Die sinken in die Wassernacht; Schon hat in blanker Schuppenpracht Das Seevolk sich herbei gemacht. Da wimmelt es von Lurch und Fisch, Sie sitzen am Korallentisch, Her schießt der Leviathan risch: Was ist das für ein Flederwisch? Die Seeschlang' als die Königin Kommt auch und blättert her und hin, Sie putzt die Brill' und liest darin Verkehrt und findet keinen Sinn. Sie zieh'n den Steuermann empor Und halten ihm die Bibel vor; Doch der zu schweigen sich verschwor, Das Meer durchbraust sein taubes Ohr.
Confirmed with Gottfried Keller's Gesammelte Werke, Zehnter Band, Berlin, Verlag von Wilhelm Hertz, 1895, page 107.
Text Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), "Am Meer" [author's text checked 1 time against a primary source]
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