by Johann Baptist Mayrhofer (1787 - 1836)
Uraniens Flucht
Language: German (Deutsch)
»Laßt uns, ihr Himmlischen, ein Fest begehen!« Gebiethet Zevs - [sein rascher Bothe eilt -]1 Und von der Unterwelt, den Höh'n und Seen, Steigt Alles zum Olympus unverweilt. Der Rebengott verläßt, den er bezwungen, Des Indus blumenreichen Fabelstrand; Des Helikons erhabne Dämmerungen Apoll, und Cypria ihr Inselland. Die Strömerinen moosbesäumter Quellen, Dryadengruppen aus dem stillen Hain, [Wie]2 der beherrscht des Oceanes Wellen, Sie finden willig sich zum Feste ein. Und wie sie nun in glänzenden Gewanden Den ew'gen Kreis, an dem kein Wechsel zehrt, Den blühenden, um [unsren]3 Donn'rer wanden, Da strahlt sein Auge jugendlich verklärt. Er winkt: und Hebe [füllet Krüg' und]4 Schalen, Er winkt: [der Trojer]5 reicht Ambrosia, Er winkt: und süße Freudenhymnen schallen; Und was er immer [ordnete,]6 geschah. Schon röthet Lust der Gäste Stirn' und Wange, Der schlaue Eros lächelt still für sich: Die Flügel öffnen sich - im sachten Gange, Ein edles Weib in die Versammlung schlich. Unstreitig ist sie aus der Uraniden Geschlecht', ihr Haupt umhellt ein Sternenkranz; Es leuchtet herrlich auf dem lebensmüden Und [bleichgefärbten]7 Antlitz Himmelsglanz. Doch ihre gelben Haare sind verschnitten, Ein dürftig Kleid deckt ihren reinen Leib. Die wunden Hände deuten, daß gelitten Der Knechtschaft schwere Schmach das Götterweib. Es spähet Jupiter in ihren Zügen: »Du bist - du bist es nicht, Urania!« »Ich bin's.« - Die Götter taumeln von den Krügen Erstaunt, und rufen: wie? Urania! »Ich kenne dich nicht mehr. In holder Schöne »Spricht Zevs - zogst [du]8 der Erde zu. »[Dem]9 Göttlichen befreunden ihre Söhne, »In meine Wohnung leiten solltest du.« »Womit Pandora einstens sich gebrüstet, »Ist unbedeutend wahrlich und gering, »Erwäge ich, womit ich dich gerüstet, »Den Schmuck, den meine Liebe um dich hing.« »Was du, o Herr, mir damahls aufgetragen, »Wozu des Herzens eigner Drang mich trieb, »Vollzog ich willig, ja ich darf es sagen; »Doch daß mein Wirken ohne Früchte blieb,« »Magst du, o Herrscher, mit dem Schicksal rechten, »Dem alles, was entstand, ist unterthan; »Der Mensch verwirrt das Gute mit dem Schlechten, »Ihn hält gefangen Sinnlichkeit und Wahn.« »Dem Einen mußt' ich seine Aecker pflügen, »Dem Andern Schaffnerin im Hause seyn, »Dem seine Kindlein in die Ruhe wiegen, »Dem Andern sollt' ich Lobgedichte streu'n. »Der Eine sperrte mich in tiefe Schachten, »Ihm auszubeuten klingendes Metall; »Der [Andre]10 jagte mich durch blut'ge Schlachten »Um Ruhm - so wechselte der Armen Qual.« »Ja dieses Diadem, - die goldnen Sterne - »Das du der Scheidenden hast zugewandt, »Sie hätten es zur Feuerung ganz gerne »Bey winterlichem Froste weggebrannt.« »Verwünschte Brut,« [ruft]11 Zevs mit wilder Stimme, »Dem schnellsten Untergang sey [du]12 geweiht!« Die Wolkenburg erbebt [vor]13 seinem Grimme, Und Luft und Meer und Land erzittern weit. Er reißt den Blitz gewaltsam aus den Fängen Des Adlers; über'm hohen Haupte schwenkt Die Lohe er, die Erde zu versengen, Die seinen Liebling unerhört gekränkt. Er schreitet vorwärts, um sie zu verderben, Es dräut der rothe Blitz, noch mehr sein Blick. Die bange Welt bereitet sich zu sterben - Es sinkt [des Rächers Arm]14, er tritt zurück, Und heißt Uranien [hinunter]15 schauen. Sie sieht in weiter Fern' ein liebend Paar, Auf einer grünen stromumflossnen Auen, Ihr Bildniß ziert den ländlichen Altar, Vor dem die Beyden opfernd [niederknien]16, Die Himmlische ersehnend, die entflohn; Und wie ein [Ocean von Harmonien]17 Umwogt die Göttin ihres Flehens Ton. Ihr dunkles Auge füllet eine Thräne, Der Schmerz der Liebenden hat sie erreicht; Ihr Unmuth wird, wie eines Bogens Sehne Vom [Morgenthaue]18, nun erweicht. »Verzeihe, heischt die göttliche Versöhnte: »Ich war zu rasch im Zorn, mein Dienst, er gilt »Noch auf der Erde: wie man mich auch höhnte, »Manch frommes Herz ist noch von mir erfüllt.« »O laß mich zu den armen Menschen steigen, »Sie lehren, was dein hoher Wille ist, »Und ihnen mütterlich in Träumen zeigen »Das Land, wo der Vollendung Blume sprießt.« »Es sey,« ruft Zevs, »reich will ich dich bestatten; »Zeuch, Tochter, hin, mit frischem starken Sinn! »Und [komm, gewahrst]19 du deine Kraft ermatten, »Zu uns herauf, des Himmels Bürgerin.« »Oft sehen wir dich kommen, wieder scheiden, »In immer längern Räumen bleibst du aus, »Und endlich gar - es enden deine Leiden, »Die weite Erde nennst du einst dein Haus.« »[Du, Dulderin! wirst dort]20 geachtet wohnen, »Noch mehr, als wir. Vergänglich ist die Macht, »Die uns erfreut; der Sturm [droht unsren]21 Thronen, »Doch deine Sterne leuchten durch die Nacht.«
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2 Schubert: "Und"
3 Schubert: "unsern"
4 Schubert: "füllt die goldnen"
5 Schubert: "und Ceres"
6 Schubert: "ordnet', das"
7 Schubert Alte Gesamtausgabe (AGA) and Neue Gesamtausgabe (NGA): "bleich gefärbten"
8 Schubert: "du von mir"
9 Schubert: "Den"
10 Schubert (NGA): "eine"
11 Schubert: "herrscht"
12 Schubert: "sie"
13 Schubert (autograph, and AGA, not NGA): "von"
14 Schubert: "der Rächerarm"
15 Schubert: "hinab zu"
16 Schubert: "niederknieen"
17 Schubert: "mächtig Meer von Harmonieen"
18 Schubert: "feuchten Morgenthaue", the omission of "feuchten" seems to be an error in Mayrhofer's print.
19 Schubert: "komme, fühlst"
20 Schubert (autograph) erroneously wrote "Du Dulderin wirst du", AGA prints "Da, Dulderin, wirst du", NGA prints "Du Dulderin wirst dort".
21 Schubert: "fällt unsre"
Research team for this page: Richard Morris , Peter Rastl [Guest Editor]
Confirmed with Gedichte von Johann Mayrhofer. Wien. Bey Friedrich Volke. 1824, pages 169-174.
Note: Schubert received Mayrhofer's texts generally in handwriting; the printed edition of Mayrhofer's poems appeared much later and presents the texts usually in a revised version.
1 omitted by Schubert2 Schubert: "Und"
3 Schubert: "unsern"
4 Schubert: "füllt die goldnen"
5 Schubert: "und Ceres"
6 Schubert: "ordnet', das"
7 Schubert Alte Gesamtausgabe (AGA) and Neue Gesamtausgabe (NGA): "bleich gefärbten"
8 Schubert: "du von mir"
9 Schubert: "Den"
10 Schubert (NGA): "eine"
11 Schubert: "herrscht"
12 Schubert: "sie"
13 Schubert (autograph, and AGA, not NGA): "von"
14 Schubert: "der Rächerarm"
15 Schubert: "hinab zu"
16 Schubert: "niederknieen"
17 Schubert: "mächtig Meer von Harmonieen"
18 Schubert: "feuchten Morgenthaue", the omission of "feuchten" seems to be an error in Mayrhofer's print.
19 Schubert: "komme, fühlst"
20 Schubert (autograph) erroneously wrote "Du Dulderin wirst du", AGA prints "Da, Dulderin, wirst du", NGA prints "Du Dulderin wirst dort".
21 Schubert: "fällt unsre"
Text Authorship:
- by Johann Baptist Mayrhofer (1787 - 1836), "Uraniens Flucht" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Franz Peter Schubert (1797 - 1828), "Uraniens Flucht", D 554 (1817), published 1895 [sung text checked 1 time]
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , "La fugida d'Urània", copyright © 2017, (re)printed on this website with kind permission
- DUT Dutch (Nederlands) [singable] (Lau Kanen) , "Urania's vlucht", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (T. P. (Peter) Perrin) , "Urania's Flight", copyright ©, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Malcolm Wren) , "The flight of Urania", copyright © 2018, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Le vol d'Uranie", copyright © 2011, (re)printed on this website with kind permission
Research team for this page: Richard Morris , Peter Rastl [Guest Editor]
This text was added to the website between May 1995 and September 2003.
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