by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Warum, wenn es angeht, also die Frist...
Language: German (Deutsch)
Warum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins hinzubringen, als Lorbeer, ein wenig dunkler als alles andere Grün, mit kleinen Wellen an jedem Blattrand (wie eines Windes Lächeln) -: warum dann Menschliches müssen - und, Schicksal vermeidend, sich sehnen nach Schicksal?... Oh, nicht, weil Glück ist, dieser voreilige Vorteil eines nahen Verlusts. Nicht aus Neugier, oder zur Übung des Herzens, das auch im Lorbeer wäre..... Aber weil Hiersein viel ist, und weil uns scheinbar alles das Hiesige braucht, dieses Schwindende, das seltsam uns angeht. Uns, die Schwindendsten. Ein Mal jedes, nur ein Mal. Ein Mal und nicht mehr. Und wir auch ein Mal. Nie wieder. Aber dieses ein Mal gewesen zu sein, wenn auch nur ein Mal: irdisch gewesen zu sein, scheint nicht widerrufbar. Und so drängen wir uns und wollen es leisten, wollens enthalten in unsern einfachen Händen, im überfüllteren Blick und im sprachlosen Herzen. Wollen es werden. - Wem es geben? Am liebsten alles behalten für immer... Ach, in den andern Bezug, wehe, was nimmt man hinüber? Nicht das Anschaun, das hier langsam erlernte, und kein hier Ereignetes. Keins. Also die Schmerzen. Also vor allem das Schwersein, also der Liebe lange Erfahrung, - also lauter Unsägliches. Aber später, unter den Sternen, was solls: die sind besser unsäglich. Bringt doch der Wanderer auch vom Hange des Bergrands nicht eine Hand voll Erde ins Tal, die Allen unsägliche, sondern ein erworbenes Wort, reines, den gelben und blaun Enzian. Sind wir vielleicht hier, um zu sagen: Haus, Brücke, Brunnen, Tor, Krug, Obstbaum, Fenster, - höchstens: Säule, Turm.... aber zu sagen, verstehs, oh zu sagen so, wie selber die Dinge niemals innig meinten zu sein. Ist nicht die heimliche List dieser verschwiegenen Erde, wenn sie die Liebenden drängt, daß sich in ihrem Gefühl jedes und jedes entzückst? Schwelle: was ists für zwei Liebende, daß sie die eigne ältere Schwelle der Tür ein wenig verbrauchen, auch sie, nach den vielen vorher und vor den Künftigen ...., leicht. Hier ist des Säglichen Zeit, hier seine Heimat. Sprich und bekenn. Mehr als je fallen die Dinge dahin, die erlebbaren, denn, was sie verdrängend ersetzt, ist ein Tun ohne Bild. Tun unter Krusten, die willig zerspringen, sobald innen das Handeln entwächst und sich anders begrenzt. Zwischen den Hämmern besteht unser Herz, wie die Zunge zwischen den Zähnen, die doch, dennoch, die preisende bleibt. Preise dem Engel die Welt, nicht die unsägliche, ihm kannst du nicht großtun mit herrlich Erfühltem; im Weltall, wo er fühlender fühlt, bist du ein Neuling. Drum zeig ihm das Einfache, das, von Geschlecht zu Geschlechtern gestaltet, als ein Unsriges lebt, neben der Hand und im Blick. Sag ihm die Dinge. Er wird staunender stehn; wie du standest bei dem Seiler in Rom, oder beim Töpfer am Nil. Zeig ihm, wie glücklich ein Ding sein kann, wie schuldlos und unser, wie selbst das klagende Leid rein zur Gestalt sich entschließt, dient als ein Ding, oder stirbt in ein Ding -, und jenseits selig der Geige entgeht. - Und diese, von Hingang lebenden Dinge verstehn, daß du sie rühmst; vergänglich, traun sie ein Rettendes uns, den Vergänglichsten, zu. Wollen, wir sollen sie ganz im unsichtbarn Herzen verwandeln in - o unendlich - in uns! Wer wir am Ende auch seien. Erde, ist es nicht dies, was du willst: unsichtbar in uns erstehn? - Ist es dein Traum nicht, einmal unsichtbar zu sein? - Erde! unsichtbar! Was, wenn Verwandlung nicht, ist dein drängender Auftrag Erde, du liebe, ich will. Oh glaub, es bedürfte nicht deiner Frühlinge mehr, mich dir zu gewinnen -, einer, ach, ein einziger ist schon dem Blute zu viel. Namenlos bin ich zu dir entschlossen, von weit her. Immer warst du im Recht, und dein heiliger Einfall ist der vertrauliche Tod. Siehe, ich lebe. Woraus? Weder Kindheit noch Zukunft werden weniger ....... Überzähliges Dasein entspringt mir im Herzen.
M. Gaathaug sets stanza 1
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Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Die neunte Elegie", appears in Duineser Elegien, no. 9 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by John van Buren (b. 1952), "Haus, Brücke, Brunnen, Tor, Krug", from Verwandlungen, no. 2 [sung text not yet checked]
- by Martin Dörnberg (1920 - 2013), "Aber weil Hiersein viel ist", 1999/2000 [ 4 male voices ], from Rainer Maria Rilke-Zyklus , no. 1, Selbstverlag 2000 [sung text not yet checked]
- by Gerald Siegfried Josef Eckert (b. 1960), "... des Säglichen Zeit ...", 2003, copyright © 2005 [ speaker, instrumental ensemble and band ], Berlin : Edition Gravis [sung text not yet checked]
- by Philippe Fénelon (b. 1952), "Sind wir vielleicht, hier", op. 69b (Dix-Huit Madrigaux) no. 16 (1995 - 1996), first performed 1996 [ 2 tenors ], Amphion, Durand, Paris [sung text not yet checked]
- by Morten Gaathaug (b. 1955), "Warum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins", op. 42 no. 4 (1992/2018), first performed 1993, stanza 1 [ mezzo-soprano, oboe, violoncello, percussion and piano ], from Elegiske fragmenter, no. 4, NB noter [sung text not yet checked]
- by Pascal Gaigne (b. 1958), "Die neunte elegie" [ voice, piano and orchestra ], from The last life of Lucifer, no. 7 [sung text not yet checked]
- by Jouni Kaipainen (b. 1956), "Warum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins", op. 54 (1996) [ mixed chorus ], from oratorio Des Flusses Stimme. Requiem für gemischten Chor [sung text not yet checked]
- by Granville Walker (b. 1949), "Erde, ist es nicht dies was Du willst", from Sechs Lieder, no. 6, note: the setting probably starts with stanza 7 [sung text not yet checked]
Settings in other languages, adaptations, or excerpts:
- Also set in English, a translation by Harry Behn (1898 - 1973) , copyright © ; composed by Will Gay Bottje, George Rochberg.
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- Also set in English, a translation by Stephen Mitchell (b. 1943) , copyright © [an adaptation] ; composed by Leslie Kleen.
- Also set in Russian (Русский), a translation by Vladimir Borisovich Mikushevich (b. 1936) , "Девятая элегия", copyright © ; composed by Vladislav Mikhailovich Lebedev.
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
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